Ein Leben mit einer normalen Sexualität überhaupt möglich?
Beziehung und Sexualität sind für Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ein sehr belasteter Lebensbereich. Ihre Instabilität in Beziehungen im Allgemeinen, ihre Impulsivität, ihre Angst vor dem Verlassenwerden sowie nicht selten traumatische sexuelle Gewalterfahrungen wie anhaltender sexueller Missbrauch machen ihnen hier das Leben schwer.
Gerade auch die partnerschaftlichen Beziehungen der Betroffenen sind oft intensiv, aber auch sehr instabil. Borderline-Persönlichkeiten leben in einem für sie sehr belastenden Dilemma: sie wünschen sich Nähe, bekommen sie diese, können sie sie nicht ertragen. Zudem fällt es ihnen schwer, insbesondere in Beziehungen andere Menschen als gleichzeitig mit guten und schlechten Eigenschaften wahrzunehmen. Sie sind besonders anfällig dafür, die rosarote Brille aufzusetzen, offensichtlich auf sie zukommende Schwierigkeiten mit einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin nicht sehen zu können und auch nicht zu wollen.
Die Impulsivität von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kann sich selbstschädigend zeigen in promiskuitivem Verhalten. Wahllos werden dann möglicherweise Sexualpartner oder Sexualpartnerinnen 'aufgerissen', schlimmstenfalls ohne jeden Gedanken an sexuell übertragbare Krankheiten. Dies geht dann regelmäßig einher mit exessivem Suchtverhalten. Aber bitte bedenke, längst nicht alle Betroffenen zeigen promiskuitives Verhalten.
Sicher recht viele Prostituierte, genaue Zahlen haben wir dazu leider nicht, leiden unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bekannt ist, wenn auch mit unterschiedlichen Zahlen, daß ein hoher Anteil Prostituierter in der Kindheit anhaltenden sexuellen Missbrauch erleben mußte. Da nach der NIMH-Studie von Frank W. Putnam ca. 20% aller Menschen mit einer Dissoziativen Identitätsstörung, bei der ja eine hohe Überlappung verschiedener Symptome besteht, als Prostituierte arbeiten oder gearbeitet haben in ihrer Lebensgeschichte, dürfte es kaum verwundern, wenn auch unter Frauen, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung recht viele zu finden sein dürften, die als Prostituierte arbeiten. Prostitution sollte hier aber nicht mit promiskuitivem Verhalten gleichgesetzt werden. Das eine schließt das andere zwar nicht aus, jedoch sind beides zwei verschiedene Paare Schuhe. Dauerhafte Prostitution bringt, ganz unabhängig davon, ob eine Frau eine Borderline-Störung hat oder nicht das erhebliche und belastende Problem mit sich, daß sie vor die Frage gestellt ist, ob sie einen möglichen Partner regelmäßig hinsichtlich der Arbeit anlügt, die Wahrheit zu sagen oder allein zu bleiben, weil das Doppelleben vielleicht nicht zu bewältigen ist. Denn trotz Prostuitutionsgesetz wird die Prostitution in der Bevölkerung nicht allgemein akzeptiert.
Ein anderer Problembereich, der erschwerend ist für nicht wenige Betroffene, ist die Identitätsstörung, die sich auch auf das Wissen und Erleben seiner sexuellen Vorlieben auswirken können. Daß kann bedeuten, daß sie nicht sicher sind, ob sie hetero- homo- oder bisexuell sind. Empfinden sie sich zeitweise vielleicht als homosexuell, so ziehen sie sich zu späterer Zeit vielleicht wieder zum anderen Geschlecht hingezogen. Aber die Unsicherheit kann weitergehen und sie probieren impulsiv alles mögliche aus, behalten dies aber nicht bei.
Im Gegensatz zu dem bisher Beschriebenen gibt es auch Betroffene, für die Sexualität sehr angst- und schambesetzt ist. Für sie ist es wegen ihrer Angst ebenso schwierig, einen passenden Partner zu finden. Denn auch sie haben Probleme mit Stimmungsschwankungen und instabilen Beziehungen oder einer unsicheren Identität.
(Quelle: Blumenwiese http://www.blumenwiesen.org/borderline.html)
In diesen Fällen ist es dann oft schwierig ein normales Maß an Sexualität überhaupt zu zulassen. Oft zum Leidwesen ihrer Partner die nur bedingt die Geduld und das Verständnis aufbringen können. So ist es nicht selten das sich die Borderline-Erkrankten wieder in einer Opferrolle erleben, indem sie sich selbst bestraft fühlen für das, was ihnen geschehen ist.
Angehörige / Partner
Das Leben mit einer Borderline-Störung ist nicht nur für die Betroffenen selbst belastend, sondern auch für ihre Angehörigen und Partner.
"Oft verberge ich, was ich denke oder fühle, aus Angst vor der Reaktion meines Partners oder weil es sich einfach nicht lohnt, den schlimmen Streit oder die Verletzungen riskieren, die unweigerlich folgen werden." (Paul T. Mason u. Randy Kreger, 2005, S. 22)Diese Erfahrungen Angehöriger und Partner zeigen deutlich, wie verunsichernd Beziehungen zu Menschen mit einer Borderline-Störung sein können. Oft befindet man sich in einer Situation, wo man es nur falsch machen kann. Ein Ehemann erzählt:
"Ich habe das Gefühl, alles, was ich sage oder tue, wird verdreht, entstellt und gegen mich verwendet. Mein Angehöriger gibt an allem, was in der Beziehung falsch läuft, mir die Schuld. Ohne logisch nachvollziehbaren Grund werde ich ich mit Kritik und Vorwürfen überhäuft." (Paul T. Mason u. Randi Kreger, 2005, S. 22)
"Ich bin Zielscheibe heftiger, unkontrollierter, irrationaler Wutausbrüche nach Phasen völlig normalen liebevollen Umgangs. Niemand glaubt mir, wenn ich erzähle, was ich durchmachen muß." (Paul T. Mason u. Randi Kreger, 2005, S. 22)
"Ich habe Angst, eigene Ansprüche zu stellen. Er wird mit ohnehin sagen, dass meine Erwartungen überzogen seien oder dass mit mir etwas nicht stimme. Oft kriege ich sogar zu hören, meine Bedürfnisse seien unwichtig." (Paul T. Mason u. Randy Kreger, 2005, S. 23)
Aber selbst wenn ich haargenau das tue, was sie will, kann es sein, dass sie sauer wird. Eines Tages sagte sie mir, ich solle mit den Kindern aus dem Haus gehen, weil sie Zeit für sich brauche. Doch als ich aufbrechen wollten, warf sie mir die Schlüssel an den Kopf und beschuldigte mich, ich hasse sie so sehr, dass ich es nicht unter einem Dach mit ihr aushalten könne. Als ich dann mit den Kindern aus dem Kino kam, tat sie so, als sei nichts geschehen. Sie wunderte sich, dass ich noch aufgebracht war, und behauptete, ich hätte Probleme damit, Wut los zulassen." (Paul T. Mason u. Randy Kreger, 2005, S. 24)(Quelle: Blumenwiese http://www.blumenwiesen.org/borderline.html)
Einige Adressen zu Selbsthilfe Gruppen für Angehörige:
http://www.borderline-angehoerige.de/
http://www.borderline-netzwerk.info/
http://www.borderline-projekt.de/
http://www.grenzposten.de/
Abschließend sei hier noch eindringlich zu sagen, das man einen Borderline-Erkrankten nicht dafür verurteilen sollte, was aus ihm geworden ist, denn in den seltensten Fällen ist er selbst daran schuld...
Auch wenn eine mögliche Partnerschaft mit Problemen und Tiefs behaftet sein wird, sollte man nicht Angst haben sich dieser Herausforderung zu stellen. Denn auch wenn es bedeutet einen Kampf auszufechten, so ist ein halbwegs normales Leben für und mit einem Borderline-Erkrankten durchaus möglich!
Und das Leben kann verdammt schön sein...
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